Fast ein Jahr ist seit dem letzten ordentlichen Verbandstag im THV vergangen. Zeit für eine erste Bilanz. Johannes Rudolph, Vorsitzender des THV-Schiedsrichterausschusses, spricht über seinen Start und mögliche Perspektiven.
Ende Juni kamen über 45 Schiedsrichterinnen und Schiedsrichter zum jährlichen Sommerlehrgang an der Landessportschule in Bad Blankenburg zusammen. Was stand auf dem Programm und was waren ggf. Regelschwerpunkte der Weiterbildung? Seid Ihr mit den Leistungen zufrieden?
Ja – wir sind mit dem Lehrgang sehr zufrieden. Wir haben im zweiten Jahr in Folge mehr als 40 Schiedsrichterinnen und Schiedsrichter zum Lehrgang unseres Leistungskaders begrüßen können. Zudem haben wir erstmalig auch alle Schiedsrichterbeobachter eingeladen, die teilweise bei den Lehreinheiten der Schiedsrichter dabei waren und teilweise ihre eigenen Lehreinheiten absolviert haben. Wir konnten damit einheitliche Festlegungen für den SR-Kader festlegen, die die Beobachter in ihren Auswertungen einfließen lassen können. Die Leistungstests konnten zum Großteil erfolgreich absolviert werden, wir hatten hier glücklicherweise wenig Probleme, da die Schiedsrichter gut vorbereitet waren. Heiko Jäger und Gunnar Beyer konnten in verschiedenen Lehreinheiten ihr Wissen und ihre Expertise aus der 3. Liga einfließen lassen und haben zu den Themen Einflussnahme/Kommunikation, Progression und natürlich auch zu den Regelanpassungen ab 01.07.2025 gesprochen. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer haben hier durchweg positives Feedback gegeben und konnten sich viel für die neue Saison mitnehmen.
Der DHB hat auf Grundlage von Festlegungen der IHF/EHF Regelanpassungen beschlossen. Welche besonderen Herausforderungen bringt dies für die Spielleitung künftig mit sich?
Um es kurz zu machen: Keine. Seit langem haben wir Regelanpassungen erhalten, die den Handballsport nicht wirklich ändern werden. Denken wir an die Einführung der Anwurfzone oder an die Einführung der 6 Pässe beim passiven Spiel (mittlerweile sind es ja sogar nur noch 4 Pässe) zurück. Das hat uns im Schiedsrichterwesen intensiv beschäftigt, weil das Spiel viel schneller wurde, neue Beobachtungspositionen notwendig wurden und wir versucht haben, die Auslegung einheitlich zu steuern.
Die vielleicht gravierendste Regelanpassung ist die nun immer auszusprechende Hinausstellung beim Kopftreffer des Torwarts – also auch beim 7m und direkten Freiwurf – eben nicht nur aus dem freien Spiel heraus. Bisher haben wir hier beim 7m und beim direkten Freiwurf eine Disqualifikation ausgesprochen, was aus unserer Sicht aufgrund der hohen Verletzungsgefahr für den Torwart auch gerechtfertigt war. Nun sprechen wir bei allen Kopftreffern Hinausstellungen aus, was es uns laut IHF und EHF einfacher machen soll.
Johannes, Du bist nun seit 10 Monaten ehrenamtlich für den großen Bereich des Schiedsrichterwesens im THV verantwortlich. Du warst ja zuvor schon unter Lutz Pfefferkorn ein wichtiges Mitglied im Schiedsrichterausschuss und brauchtest sicherlich nicht so viel Einarbeitungszeit. Welche Prioritäten hast Du für Dich trotzdem erst einmal gesetzt?
Ich bin seit fast 10 Jahren Mitglied im Schiedsrichterausschuss und war unter Lutz hauptverantwortlich für die organisatorischen Abläufe im Schiedsrichterwesen, besonders die Ansetzungen der Schiedsrichter im Leistungskader. Nun bin ich seit August 2024 als Leiter des Schiedsrichterwesens für den kompletten Bereich verantwortlich. Wie ich es bereits zum Verbandstag in Bad Blankenburg gesagt habe, haben wir in Thüringen im Schiedsrichterwesen ein gravierendes Problem: die Schiedsrichterentwicklung. Wir haben nicht pauschal zu wenig Schiedsrichter. Aktuell haben wir in Thüringen knapp 400 gültige SR-Lizenzen, das ist für unsere gut 70 aktiven Vereine kein furchtbar schlechter Wert. Aber es gelingt uns in den Regionen und im Verband aktuell zu wenig, die Schiedsrichter, die wir haben, zu entwickeln, zu fördern, ihnen Perspektiven aufzuzeigen, wieviel Spaß dieser anspruchsvolle und sicherlich manchmal auch schwierige Job mit sich bringt und wie er die Persönlichkeit, gerade von jungen Menschen, weiterbringt. Hier fehlen uns leider auch ein oder zwei Vorbilder, da uns die Schiedsrichter in den höheren Spielklassen aktuell fehlen. Hier steuern wir aktuell über ein Förderprojekt, welches wir mit Hilfe des Landessportbundes umsetzen konnten, um gezielte Coachings und Beobachtungen anzubieten, um die SR-Neueinsteiger von Anfang an begleiten zu können und somit gleich von Beginn an zeigen zu können, dass niemand allein gelassen wird.
Wer unterstützt Dich in der Arbeit im Schiedsrichterausschuss und wer übernimmt dabei welche Aufgaben?
Ich kann zum Glück auf eine ganze Menge Mitstreiter zurückgreifen, die mir in der täglichen Arbeit helfen und mir einen großen Teil Arbeit abnehmen:
Lutz Pfefferkorn – verantwortlich für die organisatorischen Abläufe, zukünftig auch für die Ansetzungen im Leistungskader
Sascha Hauke – verantwortlich für den Bereich Lehre, die inhaltliche Vorbereitung unserer Lehrgänge und unser neues Videoportal Sportlounge
Johannes Kunze – verantwortlich für den Bereich Entwicklung, die Zusammenarbeit mit den Regionen und den Förderkader im Verband
Andreas Wilck – verantwortlich für den Bereich neutrale Beobachtung unseres Leistungskaders und die Rückmeldung der Vereine zu den SR-Leistungen (Vereinsbeobachtung)
Jens Hanse – verantwortlich für den Bereich Zeitnehmer/Sekretär, Aus- und Fortbildung aller Kampfgerichte in Thüringen und Gewinnung neutraler Kampfgerichte für den höherklassigen Spielbetrieb
Lutz Pfefferkorn, Bastian Preuk und Knut Kallenbach – als stellv. Regionsvorsitzende Schiedsrichter in ihren jeweiligen Regionen
Viele Vereine waren und sind nicht zufrieden mit den Rahmenbedingungen, die wir als Verband bei der Gewinnung, Aus- und Weiterbildung von Schiedsrichtern setzen. Der Mangel an Schiedsrichterinnen und Schiedsrichtern ist aber auch kein Phänomen, das wir im THV exklusiv haben. Wie ist Dein Blick auf diese Thematik?
Die Unzufriedenheit der Vereine kann ich nicht nachvollziehen. In fast keinem anderen Landesverband ist es über so viele Wege wie in Thüringen möglich, eine Schiedsrichterlizenz zu erhalten. Wir bieten neben der „normalen“ Grundausbildung auch die Ausbildung zum Schiedsrichter im Kinderhandball (der sog. „Kinderschiedsrichter“) und sogar einen „Crash-Kurs“ für Quereinsteiger (also erfahrene Spieler/innen und Trainer/innen) an. Wer da nicht das richtige für sich findet, hat es aus meiner Sicht sowieso schwer, Schiedsrichter zu werden. Wir bilden eine der anspruchsvollsten Aufgaben aus, die der Handballsport zu bieten hat, das sollten wir auch nicht vergessen. Wer selbst schon mal bei einem Punktspiel gepfiffen hat, weiß, wovon ich spreche. Wir können und werden die Lizenzen auch nicht „verschenken“ – dafür haben auch alle Vereine Verständnis. Alle unsere Ausbildungsformen haben gemeinsam, dass sich die Interessenten ihr Grundwissen über das DHB-Schiedsrichterportal erwerben und dort verschiedene Lektionen durchlaufen. Im Anschluss vertiefen wir in verschiedenen Praxismodulen vor Ort dieses Wissen und coachen die Schiedsrichterinnen und Schiedsrichter auch bei ihren ersten Einsätzen.
Es ist richtig, dass nicht nur der Handballsport vom Schiedsrichtermangel betroffen ist. Andere Sportarten und auch andere Landesverbände im Handball gehen mit der Nichterfüllung des sog. „Schiedsrichtersoll“ eines Vereines auch deutlich härter um. Wir stehen hier erst am Anfang, werden aber auch deutlich härtere Strafen erheben müssen, wenn sich nichts ändert. Wir haben in unserer neuen Schiedsrichterordnung verankert, dass im ersten Jahr der Nichterfüllung des Schiedsrichtersolls weiterhin bei einer Geldstrafe (als eine Art „Verwarnung“) bleiben wird und im darauffolgenden Jahr der Nichterfüllung pro fehlendem Schiedsrichter einen Punkt Abzug für die im Thüringer Spielbetrieb höchstklassige Mannschaft geben wird. Sollte es im darauffolgenden Jahr auch zur Nichterfüllung kommen, müssen wir doppelte Punktabzüge pro fehlendem Schiedsrichter aussprechen. Ich hoffe, dass es bei der Androhung bleibt und wir diese Punktabzüge nicht wirklich aussprechen müssen. Die Saison 2025/26 wird nun die erste werden, in der es wirklich Punktabzüge geben könnte, da wir die Saison 2024/25 als „Übergangssaison“ in der alten Regelung gehalten haben. Es geht uns nicht darum mit Geldstrafen um uns zu schlagen oder Punktabzüge durchzuführen, weil uns auch das keine Schiedsrichter bringt. Aber gutes Zureden und verstärktes Bitten haben in den letzten Jahren leider nicht gefruchtet. Wir scheinen diese Druckmittel (im Übrigen genau wie andere Landesverbände auch) zu brauchen, damit die Thematik ernst genommen wird.
Der THV ist einer der kleinsten Handballverbände Deutschlands. Ist es trotzdem möglich, wieder Schiedsrichterpaare in die Förderebenen des DHB zu entwickeln, wo sie Jugendbundesliga-, 3.-Liga- und vielleicht sogar Bundesligaspiele leiten dürfen?
Das ist mit Sicherheit möglich. Das hat an sich auch wenig mit der Größe des Landesverbandes zu tun. Denken wir zurück an unser ehemaliges SR-Team König/Teichmüller. Thomas und Marian haben im DHB-Bundesligakader gepfiffen und mussten leider aufgrund beruflicher Gründe zurücktreten. Trotzdem waren sie ein sehr angesehenes SR-Team im DHB. Wir haben hoffnungsvolle Talente in unseren Kadern und haben daher wieder einen THV-Förderkader gegründet, um diese SR-Teams gezielt im Blick behalten zu können. Hier gilt aber Qualität vor Quantität und auch mit allen Teams eine langsame und zielgerichtete Förderung zu betreiben. Niemand bringt es etwas, wenn wir die Teams verheizen und zu schnell in höhere Kader aufsteigen lassen. Die Basics müssen sitzen und die Entwicklung muss Schritt für Schritt begleitet werden, dann sind höherklassige Erfolge natürlich auch möglich.
Der DHB hat dieses Jahr auch aufgrund der Frauen-WM in Deutschland und den Niederlanden zum Jahr des Frauenhandballs ernannt und in diesem Zusammenhang auch die Frauen im Schiedsrichterwesen in den Fokus gerückt. Bemerken wir diese Initiative auch in Thüringen.
Ja- unter anderem daran, dass die Grundausbildung für Schiedsricherinnen in diesem Jahr kostenlos ist. Wir werden also keine Teilnahmegebühren für die Neuausbildung von Schiedsrichterinnen erheben. Das ist erstmal ein tolles Signal für alle Frauen, die sich für unser Hobby begeistern und stellt für deren Vereine auch eine Entlastung dar. Darüber hinaus werden über den DHB u.a. Tickets für die WM-Spiele in Deutschland an Schiedsrichterinnen frei vergeben. Das ist eine tolle Wertschätzung und zeigt den Stellenwert, den der Frauenhandball in diesem Jahr einnimmt.
Gibt es etwas, was Du persönlich unseren Schiedsrichterinnen und Schiedsrichtern gerne für ihre weitere Entwicklung mitgeben möchtest?
Zunächst einmal möchte ich allen unseren Schiedsrichterinnen und Schiedsrichtern meinen größten Respekt aussprechen. Ihr übernehmt eine Rolle, die nicht nur für das Spiel, sondern für den gesamten Sport unverzichtbar ist – und das erfordert Mut, Entschlossenheit und Leidenschaft.
Für eure weitere Entwicklung möchte ich euch Folgendes mitgeben: Bleibt stets offen für Feedback, Vertraut auf eure Entscheidungen, habt den Mut, konsequent zu handeln und gleichzeitig die Gelassenheit, aus Fehlern zu lernen. Ein guter Schiedsrichter ist nicht derjenige, der nie irrt, sondern derjenige, der nie aufhört, besser zu werden.
Vielen Dank für das offene Gespräch, Johannes und weiterhin viel Erfolg und Freude an diesem wichtigen Ehrenamt.