16.12.2021 - Interview mit Matthias Bäurer, Jugendkoordinator des ThSV Eisenach

Im Laufe der kommenden Wochen wollen wir Euch hier einen Einblick in die Arbeit unserer drei Nachwuchsleistungszentren im Thüringer Handball-Verband geben. Denn sowohl beim Thüringer HC, dem HBV Jena 90 als auch beim ThSV Eisenach arbeiten Vorstände an besseren Rahmenbedingungen, Trainer an der Leistungsentwicklung und Jugendliche hart an der Erfüllung ihrer handballerischen Karriereträume. Bis zu acht Trainingseinheiten pro Woche kosten Zeit und Kraft, denn an 1. Stelle steht auch hier ein bestmöglicher schulischer Abschluss.

Los geht’s heute mit dem ThSV Eisenach.

ThSV-Pressesprecher Thomas Levknecht sprach mit Matthias Bäurer, der seit dem Sommer 2021 als Jugendkoordinator des Traditionsvereins am Fuße der Wartburg tätig ist.

 „In der Athletik und im individuellen Bereich müssen wir zulegen“

 

Matthias Bäurer ist seit einem halben Jahr Jugendkoordinator beim ThSV Eisenach, wir ziehen ein erstes kleines Resümee   

Seit dem 01.07.2021 fungiert A-Lizenz-Trainer Matthias Bäurer als hauptamtlicher Jugendkoordinator des ThSV Eisenach. Dieser kam aus Magdeburg, war Angestellter beim Landessportbund Sachsen-Anhalt, Trainer der C-Jugend des SC Magdeburg, Trainer der Landesauswahl des Jahrganges 2006 und Trainer im Bereich Bezirksförderung. „Ich suche bei einem Traditionsverein, ähnlich wie der SC Magdeburg, eine neue Herausforderung“, erklärte Matthias Bäurer, am 26.05.1984 in Überlingen (Baden-Württemberg, Nähe Konstanz geboren) im Sommer. „Mit dieser Personalentscheidung werde untermauert, wer die Nummer 1 des männlichen Handballs in Thüringen ist. Um die Jugendarbeit weiterzuentwickeln, handballerisch und organisatorisch, damit die B- und A-Jugend-Teams jeweils in der höchsten Spielklasse am Ball sind, werde ein qualifizierter Trainerstab benötigt“, fügte ThSV-Vorstandsmitglied Bernd Fichtner, selbst viele Jahre erfolgreich auf dem Bundesliga-Parkett,  seinerzeit hinzu.

Nach der mittleren Reife schloss Matthias Bäurer das Fachabitur ab, absolvierte eine Ausbildung als Mediengestalter, musste verletzungsbedingt mit 18 Jahren dem aktiven Handball Tschüss sagen, legte schon frühzeitig Trainerlizenzen ab, schloss in der Schweiz eine Ausbildung zum Berufstrainer ab und wurde hauptamtlicher Trainer bei St. Otmar St. Gallen. Danach bewarb er sich auf eine ausgeschriebene Stelle beim SC Magdeburg. Dieser Vertrag lief im Sommer aus.

Nach einem halben Jahr in Eisenach sprachen wir mit dem 37-Jährigen über Vergangenes, Gegenwärtiges und Zukünftiges. 

 

Vom „großen“ SC Magdeburg zum „kleinen “ ThSV Eisenach, weshalb haben Sie sich für diesen Weg entschieden? 

Mein Vertrag beim SC Magdeburg lief aus. Ich habe mich für was Neues entschieden. Die Aufgabe bei einem anderen Traditionsverein hat mich gereizt. Ich möchte mithelfen, bei einem richtig guten Verein was aufzubauen. Ich möchte dazu beitragen, den Nachwuchs des ThSV Eisenach näher an das Leistungsvermögen großer Vereine heranzuführen.

 

Wie soll das gelingen? Wie sehen Sie die Lage im Nachwuchs des ThSV Eisenach?

Wir brauchen ein breiteres Fundament. Es gilt, im D- und E-Jugend-Bereich noch mehr Kinder für unsere so schöne Sportart zu begeistern, ab dem C-Jugend-Bereich leistungsorientiert zu arbeiten, uns professioneller aufzustellen. Dazu gehört eine bessere Technik-Ausbildung. Die Rahmenbedingungen im Umfeld sind zu verbessern, u.a. in der Zusammenarbeit mit den Schulen, aber auch im medizinischen Bereich. Die Trainingsumfänge müssen in Quantität und Qualität in Richtung Leistungssport erhöht werden. Und auch das ist ein Fakt: Wir brauchen mehr gut ausgebildete und sich stets fortbildende Trainer. Und das nicht nur im Ehrenamt!

 

Die Trainingsbedingungen in Eisenach sind ja nun etwas andere als im Leistungssportzentrum Magdeburg…?

Ganz so groß sind die Unterschiede nicht. Die Kooperationen mit dem Elisabeth-Gymnasium und der Wartburgschule eröffnen uns neue und verbesserte Möglichkeiten. Das ist für uns eine große Hilfe! An dieser Stelle gilt beiden Schulen unser Dank! Die Trainingsumfänge sind kaum anders als beim SC Magdeburg. Wir brauchen im Wohnheim ausreichend Plätze, um dort unter leistungssportlichen Gesichtspunkten mehr talentierte Jungs zu konzentrieren. Zu verbesserten Rahmenbedingungen zählen einfach auch die Anfahrtswege zum Training.

 

Was packen Sie zuerst an?

Der Nachwuchs-Leistungssport muss mehr professionalisiert werden, um – wie angesprochen – näher an die großen Vereine heranzurücken. Die Basis für den Nachwuchs-Handball bilden die Grundschul-Arbeitsgemeinschaften, ja schon die Kontakte mit den Kindergärten. Hier ist Kontinuität ganz wichtig! Unsere FSJler sind hier unter Anleitung eingebunden.

 

Wo sehen Sie den größten Nachholbedarf bei den ThSV-Talenten?

In der Athletik und in der individuellen Ausbildung. Wir brauchen deutlich mehr Zeit für die individuelle Ausbildung der jungen Spieler!

 

Sie sind Jugendkoordinator, Trainer der in der Regionalliga Nordost spielenden B-Jugend, leiten die FSJler an, halten Kontakte zu Schulen und Kitas; wie ist das unter einen Hut zu bringen?

Organisation und Zeitplanung sind entscheidend. Ich unterstütze zudem auch alle Trainerkollegen im Nachwuchsbereich. Das alles funktioniert ohnehin nur, wenn alle Trainer und Mitarbeiter gut zusammenwirken.

 

In der Jugendbundesliga spielen derzeit 48 A-Jugend- Teams. Der ThSV Eisenach ist nicht dabei. Eine Rückkehr auf diese Ebene steht doch bestimmt auf der Agenda?

Das muss und ist unser Ziel. Um das zu erreichen, brauchen wir den einen oder anderen externen Spieler. Jedem unserer Talente muss klar sein, was das heißt, worauf sein Fokus zu richten ist. Der ThSV Eisenach in der Jugendbundesliga, dann wird es reizvoll, zu uns zu kommen.

 

Wird die Rolle der 2. Mannschaft, derzeit in der Thüringenliga am Ball, neu definiert?

Mittelfristiges Ziel muss es sein, unsere 2. Männermannschaft für die 4. Liga zu qualifizieren. Der direkte Sprung von der A-Jugend in den Bundesligabereich ist oftmals groß. Eine in der 4. Liga spielende zweite Männermannschaft wäre da sehr hilfreich. Grundvoraussetzung, eine leistungsorientiert trainierende und spielende zweite Mannschaft.

 

Die Nachwuchs-Ligen in Thüringen dünnen immer mehr aus, oft stehen nur ganz wenige Mannschaften im Punktspielbetrieb, oftmals nur als Spielgemeinschaften wettbewerbsfähig, wie die JSG Saalfeld/Könitz/Bad Blankenburg. Wie kann dieser Abwärtstrend gestoppt werden?

Mit Handballcamps in allen Regionen Thüringens muss das Interesse an unserer Sportart geweckt werden. Aber danach muss es kontinuierlich weitergehen, müssen die handballinteressierten Kinder bei der Stange gehalten werden. Über den Breitensport gilt es, Kinder und Jugendliche für den Leistungssport zu gewinnen. Leuchttürme wie der ThSV Eisenach sind mit gefordert. Mit unserer Anziehungskraft als lebendiger Traditionsverein, als Flaggschiff des Thüringer Männerhandballs, ja auch als sportlicher Botschafter Thüringens, sind wir gefordert, auch anderen Vereinen zu helfen, damit diese nicht „austrocknen“.

 

Wollen sich immer weniger Jugendliche dem Leistungsgedanken im Handball stellen? Ist das leistungssportliche Denken ein gesamtgesellschaftliches Problem angesichts der Freizeit-Verlockungen?

Wichtig ist es, Kinder und Jugendliche früh an den Verein zu binden, ihre Eltern mit ins Boot zu nehmen. Ihnen muss es so gut gefallen, dass sie bleiben. Hier beim ThSV Eisenach kann sich ihr Wunsch erfüllen, einmal vor einer vollen Werner-Aßmann-Halle zu spielen, in diese ganz besondere Atmosphäre des Thüringer Handballtempels einzutauchen. Sie haben die Vorbilder im eigenen Verein! Die Identifikation des Nachwuchses mit der eigenen ersten Mannschaft ist enorm wichtig. Leistungssport schafft viele schöne Momente, die ein Leben lang haften bleiben.

 

Für welchen Handball steht Matthias Bäurer?

Für intelligenten Handball, mit einer auf Ballgewinne orientierten Abwehr. Schneller attraktiver Handball, da müssen wir besser werden. Kleingruppentaktik, dazu benötigen wir individuell gut ausgebildete Spieler.

 

Die Bekämpfung der so gefährlichen Corona-Pandemie schränkt den Trainings- und Wettkampfbetrieb wieder ein. Befürchten Sie Folgen?

Unter strikter Einhaltung der gegebenen Vorschriften trainieren wir weiter. Die Spielausfälle häufen sich leider. Den Kinder- und Jugendsport gilt es am Leben zu erhalten. Wir hoffen, im neuen Kalenderjahr wieder den normalen Wettkampfbetrieb aufzunehmen. 

 

 

Bericht: Th. Levknecht

Foto: sportfotoeisenach